5 sardische Dörfer abseits der Massen – Entschleunigung auf sardisch

5 sardische Dörfer abseits der Massen – Entschleunigung auf sardisch

Sardinien ist für viele vor allem Traumstrände, türkisblaues Wasser und Aperol im Sonnenuntergang. Klingt super, keine Frage. Aber mal ehrlich: Wenn du zwischen Flipflops und Strandhandtüchern plötzlich das Gefühl hast, eher auf Mallorca als mitten im Mittelmeer zu sein, wird’s Zeit für Plan B. Und der heißt: Raus aus dem Trubel, rein ins echte Sardinien.

Denn dort, wo Google Maps nur noch einen grauen Strich zeigt und das WLAN die weiße Flagge hisst, liegt das, was viele gar nicht mehr kennen: Stille. Und zwar die gute Sorte. Keine Langeweile, sondern dieses Gefühl, dass die Welt gerade kurz die Schultern runterlässt.

Ich hab dir fünf sardische Dörfer rausgesucht, die garantiert nicht im nächsten TUI-Katalog stehen. Orte, an denen du dem Inselleben ganz nah kommst. Mit echtem Essen, echten Menschen und echtem Leben. Manchmal verschlafen, manchmal kurios, manchmal überraschend lebendig, aber immer wunderbar unperfekt.

Warum Dörfer abseits der Touristenpfade so besonders sind

Es gibt viele Gründe, warum man sich aus dem Sardinien-Standardprogramm ausklinken sollte. Klar, die Küste ist schön. Wunderschön sogar. Aber sie zeigt eben nur einen Teil der Insel. Und manchmal auch eher den für Selfie-Sticks und Sandburgen reservierten. Die sardischen Dörfer dagegen, die sind wie ein Blick hinter die Kulissen.

Hier lebt Sardinien noch in seinem ganz eigenen Rhythmus. Nicht nach Saisonkalendern und Pauschalpaketen, sondern nach dem, was gerade wächst, geerntet wird oder gefeiert werden muss. Vielleicht spielt abends jemand Akkordeon auf dem Dorfplatz, vielleicht fährt dir ein alter Fiat Panda mit drei Ziegen auf der Rückbank entgegen, wer weiß das schon. Und genau das macht’s aus: Es ist nicht geplant, nicht perfekt, aber echt.

Für mich sind es gerade diese Orte, die den Unterschied machen. Weil du hier Menschen triffst, die dir nicht gleich ein Zimmer, sondern erstmal einen Espresso anbieten. Weil du nicht zwischen zehn Eisdielen wählst, sondern einfach das nimmst, was es gibt und genau das ist dann richtig gut. Und ja, du brauchst manchmal Geduld. Nicht jeder spricht Englisch, nicht alles läuft „effizient“. Aber dafür bekommst du ein Sardinien, das sich nicht verstellt. Sondern einfach so ist, wie es eben ist.

Die 5 sardischen Dörfer im Überblick – ruhig, ursprünglich, überraschend

Ich hab dir fünf sardische Dörfer rausgesucht, die du garantiert nicht auf den üblichen „Top 10 Sardinien Highlights“-Listen findest. Kein Küstenkitsch, kein Gelato mit Instagram-Filter, sondern echte Orte, die noch so ticken, wie sie eben ticken.

1. Gavoi – Wo Käse König ist

Wenn du mitten auf Sardinien in die Barbagia fährst, also in diese wilde, bergige Region rund um den Gennargentu, dann landest du irgendwann in Gavoi. Und ja, die Straße dahin hat mehr Kurven als ein Spaghetti-Teller beim Dorffest, aber es lohnt sich. Denn Gavoi ist eines dieser Dörfer, in dem man das Gefühl bekommt, dass hier alles einen Ticken echter läuft.

Was sofort auffällt: Steinhäuser, enge Gassen, Stille. Und dann dieser Duft nach Kaminholz, Schaf und sagen wir’s wie es ist – Pecorino. Gavoi ist nämlich eine kleine Käsehochburg. Der berühmte Fiore Sardo kommt hier ganz selbstverständlich auf den Tisch, am besten mit einem kräftigen Rotwein und einem guten Gespräch, wobei „gut“ in Sardinien auch heißen kann: 80 % Sardisch, 20 % Gestik.

Was man hier machen kann?
Zum Beispiel einfach mal durchs Dorf streifen, sich treiben lassen, in eine kleine Bar setzen und den Blick über die Granithäuser schweifen lassen. Oder: runter zum Lago di Gusana, einem künstlich angelegten See, der vor allem am Morgen etwas Mystisches hat, wenn der Dunst noch knapp über der Wasseroberfläche hängt.

Wer Glück hat, ist während des Literaturfestivals Isola delle Storie im Ort. Dann wird aus dem stillen Dorf ein Treffpunkt für Menschen, die einfach Lust haben auf Kultur mitten im Nirgendwo. Ohne Bühne, ohne Pomp, aber mit viel Herz.

Sonnenuntergang über dem See Gusana bei Gavoi und den Bergen im sardischen Hinterland
Traumhafte Sonnenuntergangsstimmung über dem Lago di Gusana bei Gavoi.

2. Atzara – Sardischer Wein & Weltkulturerbe

Atzara liegt ziemlich genau im Herzen der Insel und fühlt sich auch genau so an. Ein bisschen abgeschieden, sehr entspannt, und irgendwie aus der Zeit gefallen. Statt Verkehrslärm hörst du hier eher das Klirren von Gläsern, wenn irgendwo im Hinterhof wieder Rotwein abgefüllt wird. Willkommen in der Region Mandrolisai, wo Wein und Tradition keine Werbewörter, sondern Alltag sind.

Die dunklen Steinhäuser, die gepflasterten Gassen, die geschwungenen Balkone wirken fast wie eine Filmkulisse. Nur dass hier eben wirklich jemand wohnt. Und zwar nicht wenige, die ihren eigenen Wein keltern.

Was man hier machen kann?

  • In einer kleinen Bar nach einem vino locale fragen und sich überraschen lassen
  • Die schmalen Gassen entlanglaufen und die traditionellen sardischen Trachteninteressant finden – Atzara wurde dafür von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt
  • Einen kurzen Abstecher zur Pinacoteca comunale „Antonio Ortiz Echagüe“ machen – das ist ein charmantes kleines Museum mit Werken von lokal inspirierten Künstler*innen
  • Und wenn’s die Jahreszeit hergibt: Mit etwas Glück bist du zur „Festa del Vino“ da. Und dann ist hier echt was los.

Mein Tipp: Am besten eine Flasche Mandrolisai kaufen und hoffen, dass du sie bis nach Hause verstecken kannst.

Schmale Gasse mit Kopfsteinpflaster in einem sardischen Dorf bei Nacht
Bei Nacht wirken die engen Gassen der sardischen Dörfer noch geheimnisvoller.

3. Lollove – Das Dorf, das flüstert

Wenn man Lollove zum ersten Mal auf der Karte sieht, denkt man: „Ach, das ist bestimmt ein Tippfehler.“ Ist es nicht. Es ist ein Dorf. Und zwar eins mit nur 13 Einwohnern, einer Prise Mystik und einer Geschichte, die irgendwo zwischen Legende und Wahrheit schwankt.

Lollove liegt ganz in der Nähe von Nuoro, aber es fühlt sich an wie eine Welt für sich. Keine Läden, kein Café, keine Animation, sondern nur knirschendes Kopfsteinpflaster, verlassene Häuser und ein paar unerschütterliche Dorfbewohner, die sich ganz offensichtlich nicht für Tourismus interessieren. Genau deshalb lohnt sich der Besuch.

Was man hier machen kann?

  • Spazieren, wirklich einfach nur spazieren. Und dabei in jedes Fenster gucken (alle leer), jede Tür bestaunen (meist verschlossen) und diese fast surreale Stille aufsaugen
  • Die alte Klosterruine anschauen – früher ein Nonnenkloster, heute nur noch Mauern mit Geschichte
  • Die Legende hören: Angeblich wurde das Dorf einst verflucht, nachdem eine Nonne mit einem Hirten durchgebrannt ist. Seitdem heißt es: “Lollove sarà come l’amore: non crescerà mai.” („Lollove wird wie die Liebe sein, es wird nie wachsen.“)
  • Einen Moment innehalten und einfach die Atmosphäre wirken lassen, denn selten ist „wenig“ so viel

Mein Tipp: Komm in der Nebensaison, am besten morgens. Keine Menschenseele unterwegs, nur du und das Echo Deiner Schritte. Und vielleicht ein Hund, der nicht weiß, ob er bellen oder dösen soll.

Blick über Dächer des sardischen Geisterdorfes Lollove mit Bergen im Hintergrund
Das Geisterdorf Lollove mit nur 13 Einwohnern fühlt sich mystisch an.

4. Ulassai – Wo Kunst und Felsen verschmelzen

Ulassai liegt in den Bergen der Ogliastra, und ja: Wer hierher will, muss ein paar Serpentinen in Kauf nehmen. Aber am Ende wartet ein Ort, der so ganz anders ist als viele andere Dörfer Sardiniens. Denn hier trifft man nicht nur auf Wanderschuhe und Schafe, sondern auch auf zeitgenössische Kunstinstallationen mitten im Nirgendwo.

Schuld daran, oder besser: zu danken dafür ist die sardische Künstlerin Maria Lai. Geboren in Ulassai, brachte sie ihre Werke nicht nur in Museen, sondern zurück in ihr Heimatdorf. Heute ist ihre Handschrift überall zu spüren: An Hauswänden, auf Plätzen, entlang von Wanderwegen. Und dabei wirkt nichts gewollt oder aufgesetzt, sondern wie ein natürlicher Teil der Umgebung.

Was man hier machen kann?

  • Durch den Ort spazieren und die offenen Kunstwerke entdecken: Installationen, Textilkunst, manchmal fast wie Schatzsuche
  • Das Kunstzentrum „Stazione dell’Arte“ besuchen, ein umgebauter Bahnhof mit Werken von Maria Lai und wechselnden Ausstellungen
  • Die „Scala di San Giorgio“ erwandern, eine Felsformation mit Naturtreppen, die wie ein gotischer Dom wirkt
  • Kletterfreunde aufgepasst: Ulassai hat sich auch als Kletter-Hotspot etabliert, mit spektakulären Routen in den Felswänden rund ums Dorf

Ganz nebenbei: Ulassai liegt am Rand der berühmten „Blauen Zone“ Sardiniens, einer Region, in der Menschen besonders alt und gesund werden. Und das hat weniger mit Glück zu tun als mit Lebensstil, Ernährung und sozialem Zusammenhalt. Wenn dich das Thema interessiert, lies gerne meinen ausführlichen Beitrag dazu: Warum Sardinien zur Blauen Zone gehört.

Panorama des sardischen Dorfes Ulassai mit bunten Häusern am Hang
Das Panorama über Ulassai wirkt einfach magisch!

5. Gergei – Bio, Barumini und ein Dorf mit Haltung

Gergei liegt in der Region Sarcidano, im tiefen Süden Sardiniens. Hier wird die Landschaft langsam weiter, die Straßen leerer und die Zeit tickt ein bisschen gemütlicher. Wer hierher fährt, landet nicht aus Versehen, sondern ganz bewusst. Und wird dafür mit einem Ort belohnt, der auf weniger Lärm und mehr Substanz setzt.

Was Gergei besonders macht? Die Kombination aus traditioneller Landwirtschaft und moderner Nachhaltigkeit. Hier findest du kleine Bio-Bauernhöfe, Olivenölpressen, Getreidemühlen und das Ganze wirkt nicht wie ein hipper Trend, sondern wie etwas, das hier schon immer so war. Man lebt mit dem, was wächst und das mit Stolz.

Was man hier machen kann?

  • Unbedingt bei Samuel Lai in der Käserei Sinnos vorbeischauen: handgemachter Käse, wie man ihn heute nur noch selten findet. Authentisch, ehrlich und Samuel erzählt dir gerne, wie der Käse zu seinem Charakter kommt
  • Einen Spaziergang durch den Ort machen mit typischer Architektur, einem ruhigen Dorfplatz und ehrlicher Alltagsatmosphäre
  • Einen Abstecher zur nahen UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte „Su Nuraxi“ in Barumini machen, der größten Nuraghe Sardiniens (nur ca. 15 Minuten entfernt)
  • In einer Locanda einkehren, wo es kein Menü gibt, sondern das, was auf dem Herd steht und das ist meistens verdammt gut

Mein Tipp: Wenn Du Sardinien mal von seiner bodenständigen Seite erleben willst – ohne Postkartenfilter und Souvenirstände – dann ist Gergei genau der richtige Ort. Ideal als Zwischenstopp auf dem Weg in den Süden oder als Ruhepol für ein, zwei Nächte. WLAN? Gibt’s. Aber es meldet sich eher selten.

Wandmalerei eines sardischen Hirten auf einer Hausfassade im ruhigen Dorf Gergei, abseits der Massen
Die ruhigen Gassen von Gergei mit schöner Wandmalerei (Murales)

Fazit – Dorfleben zum Verlieben (ganz ohne Kitsch)

Klar, Sardinien hat Strände, die aussehen wie Screensaver. Aber die richtig spannenden Geschichten, die leisen Überraschungen und die echten Begegnungen. Diese passieren meist nicht am Wasser, sondern dazwischen. In kleinen Dörfern mit krummen Gassen, offenen Türen und Menschen, die nicht ständig aufs Handy schauen, weil sie einfach gerade keine Lust haben.

Ob es nun das Käseuniversum von Gavoi, der tiefrote Wein von Atzara, das fast-geisterhafte Lollove, die künstlerische Bergkulisse von Ulassai oder das geerdete Gergei ist – jedes dieser Dörfer zeigt dir eine andere Facette von Sardinien. Und ja, es braucht manchmal ein bisschen mehr Kurven auf der Straße, um dorthin zu kommen. Aber dafür wirst du mit einer Insel belohnt, wie sie nur wenige kennen.

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