Wandern mit Aussicht auf Sardinien – Klippen, Küsten und Kräuter erleben

Ich wollte eigentlich nur ein bisschen wandern. Den Kopf frei kriegen, ein paar Kalorien verbrennen, vielleicht eine schöne Bucht entdecken. Doch Sardinien wäre nicht Sardinien, wenn es nicht wieder komplett übertrieben hätte. Statt einem gemütlichen Spaziergang landete ich zwischen wildem Rosmarin, steinernen Hirtenpfaden und einem Ausblick, der mich glatt den Rückweg vergessen ließ.
Denn hier oben, irgendwo zwischen Macchia-Duft und Möwenschreien, sieht man Sardinien, wie man es sonst nicht sieht: weit, wild, und irgendwie größer als das Leben. Ob du auf einer windgepeitschten Klippe stehst, auf einem ruhigen Hochplateau wanderst oder dich den Hängen des Gennargentu entgegenkämpfst. Diese Momente mit Aussicht haben etwas Magisches. Sie lassen dich die Insel nicht nur sehen, sondern spüren.
Und genau darum geht es in diesem Beitrag: um Wanderungen, die nicht nur von A nach B führen, sondern dir den besten Blick auf Sardinien schenken, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich zeige dir fünf meiner liebsten Routen mit Aussicht – mal am Meer, mal tief im Inland – und gebe dir Tipps, wie du das Ganze auch wirklich genießen kannst.
Warum Sardiniens Aussichtspunkte mehr sind als nur Fotospots
Sardinien bietet mehr als schöne Strände. Die wahren Highlights liegen oft höher. Von Aussichtspunkten auf über 1.800 Metern bis zu felsigen Küstenklippen: Die Insel ist ein Paradies für Weitblickfans.
Was viele nicht wissen: Sardinien ist nach Sizilien das zweithöchste Eiland im Mittelmeer. Die Gebirgsketten wie der Gennargentu, der Supramonte oder der Monte Limbara prägen das Inselinnere mit überraschend alpinem Charakter. Von dort reicht der Blick bei klarer Sicht nicht selten bis zur Küste, manchmal sogar bis Korsika.
Auch geologisch ist das spannend: Sardinien gehört zu den ältesten Landmassen Europas. Die Granit- und Schieferformationen sind teils über 500 Millionen Jahre alt. Wer oben steht, schaut also nicht nur über Landschaft, sondern auch über ein Stück Erdgeschichte.
Meine 5 schönsten Wanderungen mit Aussicht auf Sardinien
Capo Caccia – Aussicht mit Meeresrauschen
Region: Nordwesten bei Alghero
Schwierigkeit: leicht bis mittel
Dauer: ca. 2 Stunden
Am Capo Caccia triffst du auf eine der spektakulärsten Steilküsten der Insel. Der Weg führt vorbei an uralten Wacholderbüschen und duftender Macchia bis zum Aussichtspunkt Torre della Pegna. Von hier oben siehst du tief hinunter auf das türkis schimmernde Meer, an klaren Tagen sogar bis zur Isola Foradada. Ideal für Einsteiger und Genusswanderer mit Kamera im Gepäck.
Monte Ferru – Einsamkeit mit Panoramablick
Region: Ogliastra (Ostküste)
Schwierigkeit: mittel
Dauer: ca. 3–4 Stunden
Diese Tour ist für alle, die Ruhe und Weitblick suchen. Der Monte Ferru (875 m) bietet freie Sicht auf das hügelige Hinterland und mit ein bisschen Glück bis zum Golfo di Orosei. Die Wege sind wenig begangen, du bist hier fast allein mit Ziegen, Wind und Wacholder. Ein echter Geheimtipp abseits der üblichen Routen.
Punta La Marmora – Dem Himmel ganz nah
Region: Gennargentu-Gebirge
Schwierigkeit: anspruchsvoll
Dauer: 5–6 Stunden
Willst du Sardinien von ganz oben sehen? Dann nichts wie hoch zur Punta La Marmora, mit 1.834 m der höchste Punkt der Insel. Die Anstiege sind fordernd, aber die Belohnung ist episch: 360°-Panorama über das Herz Sardiniens. Schneefelder im Frühling, endlose Weite im Sommer, eine Tour für erfahrene Wanderer mit Lust auf echtes Berggefühl.
Supramonte di Baunei – Stille über dem Abgrund
Region: Ostküste bei Baunei
Schwierigkeit: mittel
Dauer: 4–5 Stunden
Wer Höhen liebt, wird das Hochplateau des Supramonte lieben. Schroffe Felslandschaften, dichte Macchia, Ausblicke bis zur Cala Goloritzè und tief hinab in die Schluchten. Besonders schön am Morgen oder Spätnachmittag, wenn das Licht weich über die Landschaft fällt. Unbedingt GPS mitnehmen, die Pfade sind nicht immer eindeutig.
Monte Minerva – Die sanfte Variante
Region: Nordwestliches Inland, bei Villanova Monteleone
Schwierigkeit: leicht
Dauer: ca. 1,5 Stunden
Diese Tour zeigt, dass Aussicht nicht immer Schweiß braucht. Der Monte Minerva erhebt sich sanft über Olivenhaine, Weinreben und kleine Bauernhöfe. Die Sicht reicht weit über die Campagna und bei gutem Wetter sogar bis zur Bucht von Bosa. Perfekt für einen entspannten Nachmittag mit Picknick und kleinem Naturkino.
Tipp: Zu jeder dieser Touren findest du GPS-Tracks auf Outdooractive, Komoot oder AllTrails. Such einfach nach dem Tourennamen und achte auf aktuelle Wegbeschreibungen.

Was du unterwegs wahrnimmst – Sardinien für die Sinne
Wer in Sardinien wandert, sieht nicht nur viel – er riecht, hört und spürt die Insel. Und genau das macht jede Tour so intensiv. Schon nach den ersten Schritten begleitet dich der Duft der Macchia. Dieser wilde Mix aus Rosmarin, Myrte, Thymian, Cistus und Wacholder. Je nach Tageszeit und Jahreszeit riecht es anders: mal würzig, mal süß, mal fast zitronig. Kein Parfüm der Welt kann das einfangen.
Dazu der Soundtrack: das Rauschen des Windes in den Steineichen, das entfernte Bimmeln von Ziegenglocken, vielleicht der Ruf eines Falken oder das Knirschen der eigenen Schuhe auf losem Gestein. Und manchmal absolute Stille. So still, dass du deinen eigenen Herzschlag hörst.
Auch haptisch hat Sardinien einiges zu bieten: rauer Fels und von der Sonne gewärmtes Gestein, feiner Staub, der sich auf die Haut legt. Selbst das Licht wirkt anders: klarer, goldener, besonders in den Morgen- und Abendstunden.
Diese Wanderungen werden dadurch zu kleinen Sinnesreisen. Und genau deshalb wirken sie so nachhaltig: Du erinnerst dich nicht nur an den Weg oder das Ziel, sondern an ein Gefühl.

Praktische Tipps für dein Wandererlebnis mit Aussicht
Damit deine Wanderung nicht zur unfreiwilligen Survival-Tour wird, hier ein paar erprobte Tipps, die dir unterwegs wirklich weiterhelfen:
Die beste Zeit zum Wandern
Die angenehmsten Monate zum Wandern sind März bis Juni und September bis Anfang November. Im Hochsommer wird’s oft zu heiß, vor allem in niedrigeren Lagen. Wenn du im Sommer unterwegs bist: früh losgehen und Touren mit Schatten oder Höhenlage wählen.
Was du auf jeden Fall einpacken solltest
Man erlebt es auf Sardinien leider immer wieder: Leute stapfen in Flip‑Flops durch die schroffe Bergwelt. Ausgerüstet wie für den Strand, nicht für die Schlucht. Und prompt kommt der Alarm: Wer sich in Flip‑Flops verirrt, kann am Ende sogar den Helikopter gerufen bekommen, um aus dem Schlamassel gerettet zu werden. Nicht selten bleiben bei offensichtlich falscher Ausrüstung die Kosten für die Rettung bei dir selbst hängen. Als achte auf folgendes:
- Feste, eingelaufene Wanderschuhe (am besten mit Profil, Sardinien ist steinig!)
- Viel Wasser – mindestens 2 Liter pro Person, eher mehr
- Sonnenschutz: Hut, Sonnencreme, Sonnenbrille
- Windjacke – auch im Sommer kann’s auf den Höhen frisch werden
- Offline-Karte oder GPS-App (z. B. Komoot, Outdooractive)
- Snacks oder ein kleines Picknick – der Ausblick schmeckt besser mit Pecorino
- Erste-Hilfe-Kit: klein, aber wichtig bei Stürzen, Blasen oder Kratzern
Sicherheit & Orientierung
Viele Wanderwege sind nicht perfekt ausgeschildert, besonders im Inland. Informiere dich vorher über den genauen Routenverlauf, lade eine Offline-Karte runter und verlasse dich nicht auf Mobilfunkempfang.
Vermeide riskante Strecken allein und gib am besten jemandem Bescheid, wo du unterwegs bist. In abgelegenen Regionen triffst du stundenlang niemanden. Das ist zwar wunderschön, aber auch kein Ort für unüberlegte Abenteuer.
Respekt vor Natur & Kultur
Lass keine Spuren zurück. Nimm Müll wieder mit, bleib auf den Wegen und respektiere Tiere und Pflanzen, auch, wenn der Rosmarin noch so gut duftet. Sardinien ist reich an kleinen Wundern und genau deshalb verdient sie es, mit Achtung entdeckt zu werden.

Genuss nach der Wanderung: Wo du einkehren, baden oder entspannen kannst
Picknick mit Panorama
Manchmal reicht schon ein schattiger Felsen, ein Stück Pecorino, etwas Pane Carasau und der Blick über die Hügel und fertig ist das sardische Freiluftrestaurant. Viele Aussichtspunkte bieten perfekte Picknickplätze, also: einpacken, mitnehmen, genießen.
Einkehren beim Agriturismo
In ländlichen Gegenden lohnt sich ein Blick auf die Schilder am Straßenrand: Agriturismo, Locanda, Trattoria. Oft versteckt sich dahinter eine kleine Küche mit großem Geschmack. Nach der Tour zum Monte Minerva zum Beispiel lohnt sich ein Abstecher zum Agriturismo Sa Mandra bei Alghero.
Oder nach der Wanderung auf dem Supramonte: ein Abstieg nach Baunei oder Urzulei führt dich direkt zu herzhaften sardischen Spezialitäten wie porceddu, malloreddus oder formaggio fresco.
Abkühlung am Meer oder im Gebirgsbach
Wandern mit Aussicht lässt sich oft wunderbar mit einem Badetag verbinden, vor allem bei Touren wie Capo Caccia oder Monte Ferru, die in Küstennähe liegen. Wer ins Landesinnere geht, findet stattdessen natürliche Wasserläufe, kleine Flussbecken oder eiskalte Quellen. Das ist perfekt, um die Füße oder auch den ganzen Körper nach der Wanderung kurz einzutauchen. Also: Immer Bikini, Badeanzug oder Badehose in den Wanderrucksack!

Fazit: Sardinien sieht man am besten von oben
Wandern auf Sardinien ist mehr als Bewegung. Es ist eine Einladung, die Insel aus einer neuen Perspektive zu entdecken. Ob auf stillen Hochplateaus, über schroffen Klippen oder mit Blick auf endlose Hügel: Diese Aussichten bleiben im Kopf und im Herzen.
Dabei musst du kein Extremwanderer sein. Viele der schönsten Aussichtstouren sind auch für Einsteiger machbar, vor allem wenn du die richtige Route wählst und gut vorbereitet bist. Mein Tipp: Starte mit kurzen Touren, nimm dir Zeit, und genieße unterwegs nicht nur das Ziel, sondern den Weg dorthin. Sardinien belohnt dich mit Momenten, die du nicht planen kannst, aber nie vergisst.
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